Tod, Bestattung, Trauer

Der jüdische Friedhof

Ein jüdischer Friedhof wird im Hebräischen als Bet Olam (Haus der Ewigkeit), als Bet Ha’Chajim (Haus des Lebens) und Bet Ha’Kvaroth (Haus der Gräber) sowie im Jiddischen als „Gut Ort“ bezeichnet. Dort darf die Ruhe der Toten nicht gestört werden. Ihnen gehört die Erde, in der sie für immer bestattet sind.

Die Unantastbarkeit eines Grabes und eines jüdischen Friedhofes resultiert aus der Vorstellung der körperlichen Auferstehung der Toten zum Zeitpunkt der Ankunft des Messias. Vor diesem Hintergrund ist im gesetzestreuen Judentum eine Einäscherung der Toten verboten. Nach orthodoxer jüdischer Vorstellung ist eine Auferstehung der Toten nicht möglich, wenn der Leib durch Feuer zerstört wurde.

Die jüdische Religion bejaht das Leben als höchsten Wert, markiert aber auch den Tod im Laufe des Lebens. Zum Hochzeitstag oder einige Tage später erhalten Eheleute ein weißes Totengewand (im regionalen Jiddisch „Sargenes“ genannt). Die Männer tragen dieses Gewand beim Pessachmahl (Seder) und zum Gottesdienst an Neujahr (Rosch HaSchana) und am Versöhnungsfest (Jom Kippur).

Wenn ein Jude oder eine Jüdin im Sterben liegt, soll er bzw. sie als letztes das Glaubensbekenntnis „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig“  sagen. Mit dem Eintritt des Todes beginnt für die Hinterbliebenen bis zur Beisetzung eine erste Zeit der Trauer, während der sie von allen religiösen Pflichten befreit sind und sich ganz der Trauer hingeben können.

In dieser Zeit kümmern sich die Männer der Chewra Kadischa (Heilige Bruderschaft) um die Vorbereitungen der Bestattung, wie etwa die Leichenwäsche (Tahara).  Den Männern wird ihr Gebetsschal (Tallit) umgelegt, von dem eine der Quasten (Zizijot) abgeschnitten wird als Zeichen, dass ein Toter keine Gebote mehr zu erfüllen hat.

Der Sarg, in den die Toten gelegt werden, ist für alle gleich und schlicht. Er besteht aus sechs ungehobelten Brettern und ist mit einem schwarzen Tuch bedeckt. In den badischen Judendörfern war es üblich, die Toten mindestens bis zum Ortsrand zu begleiten. Bis dahin trugen die Männer der Heiligen Bruderschaft den Sarg. Dann erst wurde er mit einem Wagen zum Friedhof gebracht. Die Bestattungszeremonie begann auf dem Friedhof mit einem Gesang des Kantors und einer Trauerrede des Rabbiners. Oft sprachen auch noch andere Personen aus dem Familien- oder Freundeskreis. Am offenen Grab standen die Männer in der vorderen Reihe und die Frauen dahinter. Die engsten Verwandten bedeckten den in das Grab hinab gelassenen Sarg mit je drei Händen Erde. Dabei wurde gesagt: „Denn Staub bist du und zum Staub wirst Du zurückkehren.“ (Genesis 3,19)

Wenn der Sarg völlig bedeckt ist, sprechen die Angehörigen das Kaddisch. Dieses aramäische Gebet hat inhaltlich nichts mit dem Tode zu tun. Vielmehr ist es ein Lob Gottes. Es lautet:

„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt, die nach seinem Willen von Ihm erschaffen wurde – sein Reich soll in eurem Leben in den eurigen Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in nächster Zeit erstehen. Und wir sprechen: Amen! Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten. Gepriesen sei und gerühmt, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert, hocherhoben und gepriesen sei Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet Amen! Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteil werden, sprechet Amen. Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, stifte Frieden unter uns und ganz Israel, sprechet Amen.“

Mit der Beerdigung endet der erste Teil der Trauerzeit. „Ofel sein“, also in Trauer sein, dauert im Falle des Todes eines Elternteils ein Jahr. Während der ersten sieben Tage der Trauerzeit sitzen die Hinterbliebenen „Schiwa“ auf Schemeln und Kissen („schiwa jamim“: „sieben Tage“). Die trauernden Angehörigen tragen keine Schuhe, arbeiten nicht und sollen sich auch nicht mit dem Studium der Torah beschäftigen.

Während dieser Zeit sorgen Freunde und Bekannte für das Lebensnotwendige, indem sie die Trauerfamilie mit Essen versorgen. Die Jüdische Gemeinde sorgt dafür, dass die Familie durch den Trauerfall nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

Am ersten Jahrestag des Todes, gerechnet nach dem jüdischen Kalender, wird der Stein auf dem Grab gesetzt. Von da an wird jährlich „Jahrzeit“ gehalten. An diesen Tagen brennt vom Abend bis zum nächsten Abend eine Kerze, es wird das Kaddisch gesprochen und das Grab besucht.

Die Gräber im Bet Olam werden alle nach Osten gen Jerusalem ausgerichtet. Im Monat Elul des jüdischen Kalenders (August/September, vor Rosch HaSchana) soll man die Gräber seiner Familienangehörigen und Vorfahren besuchen, ebenso am Jahrzeittag.

Jüdische Friedhöfe werden gepflegt. Das Schmücken von Gräbern mit Blumen oder Kerzen ist hingegen nicht üblich. Der Tradition folgend legt man zum Zeichen des Gedenkens an den/die Verstorbene(n) einen kleinen Stein auf den Grabstein.

Männliche Besucher eines jüdischen Friedhofes müssen eine Kopfbedeckung tragen. Dies gilt auch für nichtjüdische Männer. Bei der Kopfbedeckung muss es sich nicht unbedingt um eine Kippa handeln. Die Kippa ist das Zeichen der Gottesfurcht und der Bescheidenheit vor Gott.

Beim Verlassen des Friedhofs wäscht man sich die Hände, um sich der rituellen Unreinheit , die durch die Nähe zu den Toten verursacht wird, zu entledigen.

Besuche eines jüdischen Friedhofs am Schabbat (Samstag) oder anderen jüdischen Feiertagen sind nicht statthaft.